© Bartosz Nowak

Indiegermanen

Indiegermanen

Mitglieder der Gruppe Ulfhednar treten in Bands auf, unter anderem der Band Menhir. Die Auftritte finden in den merowingerzeitlichen Trachten statt, die auch in den Großmuseen und im Fernsehen gezeigt wurden. Dadurch wird dem Publikum vermittelt, dass die Band mit hoher fachlicher Autorität germanisches Kulturerbe repräsentiert. Diese Wertigkeit verschafft den durch die Liedtexte transportierten Botschaften ein besonderes Gewicht. Tonträger von Menhir kann man fast überall erwerben, häufig mit dem Klebeetikett »Deutschlands erfolgreichste Pagan-Metal-Band«.

Thüringer beim Thüringisch-Sein: Auftritt der Gruppe Menhir 2012. © Argumente & Kultur

Pagan Metal ist ein Subgenre des Black Metal, das sich auf frühgeschichtlich-heidnische Vorlagen beruft. »Echte« Archäologie und fiktive Botschaften werden hier in einer Art und weise gekoppelt, die noch genauerer Analysen bedarf. Dass sie rechtes Gedanken­gut verbreiten, weisen fast alle Pagan Metalbands weit und aggressiv von sich. Menhir fühlt sich in besonderem Maß vom Antifaschismus verfolgt. Die Reaktionen auf Kritik fallen dabei recht drastisch aus. So orakelte ein Gruppenmitglied in einer im Netz publi­zierten Antwort auf eine grundlegende Studie eines Autors Namens Christian Dornbusch: »Der Dornbusch dorrt, der im Dorfe steht, Ihm bleibt nicht Blatt noch Borke. So geht es dem Mann, den niemand mag: Was soll er länger leben?«. Das ist auch als öffentliche Morddrohung interpretierbar. Die hier bedrohlich wirkenden Zeilen stammen aus der älteren Edda. Im Originalzusammenhang geht es weitaus weniger dramatisch zu: Dort ist der Kontext eine Art Mittelalter-Knigge für Tischsitten und die Frage des korrekten Umgangs miteinander. Dieses Auseinanderreißen von frühgeschichtlichen Zusammen­hängen ist symptomatisch nicht nur für Menhir, sondern für einen Großteil der Szene. Aus einem mehr oder weniger harmlosen mittelalterlichen Sinnspruch wird ein düsteres Urzeit-Szenario. Die Botschaften werden vermeint­lich durch die Geschichte gerecht­fertigt, beruft man sich doch auf »gewachsene«, wenn nicht »ewige« Traditionen. Die Unter­scheidungen zwischen dem Dokumentarischen und dem Fiktiven lösen sich auf. So kann man immer wieder auf die jeweils vorteilhafte Ebene umschalten, wenn die Diskussion unbequem wird.

Der Erfolg von Pagan Metal geht in Teilen auf die zweite Welle des Black Metal zurück, die Anfang der 1990er Jahre in Skandinavien begann. Fans und Musiker legten 1992 – 1995 öffentlich­keits­wirksam 44 Kirchen in Brand, darunter mehrere UNESCO-Weltkultur­erbe­stätten, deren Original­substanz seitdem für immer verloren ist. Vor allem der lange Zeit inhaftierte Kristian Vikernes von der Band Burzum erreichte dadurch Kultstatus. Sein Outfit wird in der Szene massenhaft kopiert. Er prägte den neonazistischen Teil des Black Metals maßgeblich mit einer charakte­ris­tischen Verknüpfung von NS-Nostalgie und Germanentum.

Wolfsangel-Jacke bei einem Menhir-Auftritt 2012 ©

Kampf ist in Menhir-Texten eine existenzielle, welterklärende, durch die germanische Geschichte legitimierte Kategorie. Das ist bei manchen Reenactmentgruppen nicht anders. Der Menhir-Text »Das alte Lied des Windes« bringt diese Ansicht auf den Punkt: »Mag es vergehen, sich wenden/nichts würdig, was selbst nicht kämpft«. Aber gegen wen kämpft man überhaupt? Wenn Menhir in seinem ständig wiederkehrenden Hass- und Kampfblues einen konkreten Gegner ausmacht, dann ist es vor allem das Christen­tum. So heißt es in »Warriors of the North«: »The northern honour, the only law he subjects to/the hate against christianity, the strongest feeling that he knows«. Und im Refrain wird eingehämmert: »Men of north/pray to ase/for the war/kill your enemies/men of north/pray to ase/for the war/against christianity«. Aufrufe dieser Intensität formuliert man dann doch lieber fremdsprachig. Ob es sich hier um Religionskritik handelt oder ob der Kampf gegen den christlichen Grundsatz der Gleichheit oder gegen das »Judäo-Christen­tum« gemeint ist, bleibt unklar. In »Dein Ahn« konkretisiert Menhir die zentrale Rolle des Krieges für den Fortbestand des thüringischen »Stammes«. Die ersten Strophen prangern eine Person an, die sich der gemeinsamen thüringischen Stammeswurzeln aus Perspektive des Sängers entfrem­det hat. In der letzten, ent­scheidenden Strophe wird die Bedeutung der ortskonstant, stammesbewusst und kriegerisch imaginierten germanischen Ahnen für die ethnische Zukunft beschworen: »Und hätten sie nicht ihre Saaten bewacht/und hätten sie nicht männlich bestanden die Schlacht/es wär des Stammes nicht einer mehr!/Es wär unsres Stammes nicht einer mehr!/Thuringia...«. Die drei Auslassungspunkte am Ende des Liedes signalisieren, dass man nicht alles gesagt hat, was man eigentlich zu sagen gehabt hätte. Vieldeutig formuliert verbreiten sich völkische Ideen nachhaltiger als durch die ein­dimensionale Messagemusik des Rechtsrock. Dessen stumpfe, auf Verständlichkeit getrimmte Botschaften nutzen sich beim wiederholten Hören schnell ab.

Bei einigen Auftritten von Menhir wurde eine Holzstele präsentiert, die einen frühmittel­alterlichen Krieger im typischen Ulfhednar-Outfit zeigt. Auf der Stirnplatte des Helmes war ein Hakenkreuz eingeschnitzt. Im Internet wurden Selbstzeugnisse der Band zum program­matischen Gebrauch des Hakenkreuzes publiziert, so etwa ein Eigeneintrag ins Gästebuch vom 15. März 2005: »Schamanismus, Kriegertum, Ehre, Treue und Stolz sind alles Worte und Werte welche diese Gesellschaft nicht kennt, aber wir wieder neu entdecken bzw. schon in uns tragen. Worum es bei Menhir geht hast du anscheinend nicht begriffen. Ich trage das Sonnenrad in meinem Herzen und lasse mir dies von keinem nehmen. Auch wissend, dass mir mein Schicksal von den Nornen auferlegt wurde um meinen Stand zu prüfen, den ich eines Tages in der großen Halle, im Kreise meiner Gefährden einnehmen werde und ich bin froh, das ich dort nicht solche Leute wie dich treffen werde.« (Orthographie und Interpunktion im Original). Noch 2012 trugen Fans auf Menhir-Konzerten einheitliche Jacken mit der so genannten Wolfsangel auf dem Rücken, ein Motiv, dass auch bei Ulfhednar beliebt war. Dieses Symbol verbindet nichts mit dem Frühmittel­alter. Seine Bekanntheit erhielt es erst durch Heinrich Himmlers Freischärler-Organisation Werwolf, die um 1945 blutigen Terror verbreitete. Zuvor war die Wolfsangel Zeichen der Weer Afdeelingen, einer Art niederländischer SA und das Emblem der Waffen SS-Division »Das Reich«. Beziehen sich heutige Nazis auf die Organisation Werwolf, drücken sie dadurch ihren unbeding­ten Willen zur Vernichtung ihrer Gegner aus. Es ist die charakteristische Kombination aus eindeutigen Symbolen und zweideutigen Botschaften, die Bands wie diese so eindrücklich machen.